Wenn Kindesanliegen im Zentrum des Verfahrens stehen, sind Gerichtspersonen und Behördenmitglieder oft mit rechtlichen und psychologischen Herausforderungen konfrontiert. Die involvierten Parteien, Eltern und Fachpersonen sind alle besorgt um das Wohl des Kindes, sind sich aber uneinig darüber, was für das Kind das Beste wäre und ob für das Kind eine Gefährdung besteht. Dabei argumentieren alle Beteiligten mit dem «Kindeswohl». Nicht selten stehen Konflikte, Missverständnisse und Ängste im Raum, was die Entscheidungsfindung zusätzlich erschwert. Braucht das Kind Schutz und wenn ja, wovor?
Die für die Entscheidung verantwortliche Person kennt die Tragweite ihrer Entscheidung für das Kind und steht oft unter Zeitdruck. Wie soll der Entscheidungsprozess aus richterlicher bzw. behördlicher Sicht gestaltet werden? Welche rechtlichen und psychologischen Aspekte sind in welcher Priorität zu berücksichtigen?
Die Tagung greift wesentliche Herausforderungen und Strategien rund um die richterliche Entscheidungsfindung bei Kindesanliegen auf. Anhand von theoretischen Beiträgen und Praxisbeispielen wird aufgezeigt, wie der Entscheidungsprozess in komplexen familienrechtlichen Fällen fachgerecht gestaltet werden kann und wie sich Fehlerquellen frühzeitig erkennen lassen.
Das vermittelte Wissen kann auch im Verfahren beteiligten Fachpersonen (AnwältInnen, KindsvertreterInnen, Beistandspersonen) bei der Formulierung von Anträgen und beim Vorgehen bei Kindesanliegen helfen.

 

Schwerpunkte der Tagung

  • Inputs für die Praxis bei Entscheidungen rund um Kindesanliegen: Fachgerechter Entscheidungsprozess, Herausforderungen und Strategien
  • Kindesbedürfnisse systematisch erfassen und untersuchen
  • Die Frage der Erziehungsfähigkeit aus richterlicher und behördlicher Sicht
  • Verdacht auf sexuellen Missbrauch in familienrechtlichen Verfahren: Welches aussagepsychologische Wissen benötigen Gerichts- und Fachpersonen?
  • Verdacht auf Gewalt innerhalb der Familie: Vorgehen bei der Abklärung aus richterlicher Sicht
  • In welchen Fällen braucht es gutachterliche Unterstützung? Überprüfung der Qualität von Gutachten betreffend Kindesanliegen

Hinweis zu COVID-19:  Sollte Präsenzunterricht vorübergehend unzulässig oder nur unter erheblichen Einschränkungen möglich sein, behalten wir uns die Möglichkeit vor, die Tagung zu verschieben oder abzusagen.

Zielgruppe

Die Tagung richtet sich an RichterInnen, MitarbeiterInnen der KESB, RechtsanwältInnen, KindsvertreterInnen, GerichtsschreiberInnen, Beistandspersonen, MitarbeiterInnen von Beratungsstellen und SozialarbeiterInnen.

Programm
ab            08.15 Begrüssungskaffee
08.45 Eröffnung der Tagung
08.50 09.30 Herausforderungen im Entscheidungsprozess bei Verfahren um Kindesanliegen –
Wie kann ein komplexer Fall einfach gelöst werden?
Prof. Dr. iur. Thomas Geiser
09.30 10.15 Der Begriff des Kindeswohls als «juristische Floskel»?
Wie kann der Begriff «Kindeswohl» ausgelegt werden, sodass eine transparente richterliche Entscheidung über Kindsanliegen erfolgen kann? (Teil I)
Dr. phil. Revital Ludewig
10.15 10.45 Pause
10.45 11.45 Analyse der Grundbedürfnisse des Kindes und der elterlichen Kompetenzen: Anleitung für eine systematische Erhebung und Analyse für Gerichte und Behörden bei Entscheidungen über Kindsanliegen (mit Fallbeispiel & Filmanalyse). (Teil II) Dr. phil. Revital Ludewig
11.45 12.30 Verdacht auf innerfamiliären Missbrauch im Kindesschutz-Kontext: Prozessuale und fachliche Voraussetzungen des Entscheidungsprozesses mit Einbezug von aussagepsychologischen Standards. lic. iur. Guido Marbet
12.30 13.45 Stehlunch
13.45 14.30 Normaler Familienstreit oder akute Kindes-wohlgefährdung? Zuständigkeitsproblematik  (Kompetenzattraktion) und Entscheidungsprozess aus erstinstanzlicher Sicht (mit Fallbeispielen). Dr. iur. Philipp Maier
14.30 – 15.00 Zur Rolle des Gerichts im Streit der Eltern um ihre Kinder.
Prof. Martin Kaufmann
15.00 15.20 Pause
15.20 16.00 Wann ist ein Gutachten angezeigt? Und welche formellen sowie inhaltlichen Kriterien können der richtenden Person helfen, die Qualität des Gutachtens zu beurteilen? lic.iur. Guido Marbert und
Dr. phil. Revital Ludewig
16.00 16.45 Podium mit Inputs für die Praxis: Zusammen-arbeit in der Entscheidungsfindung bei Kinds-anliegen?
16.45 17.00 Zusammenfassung der Tagung Prof. Dr. iur. Thomas Geiser
17.00 Ende der Veranstaltung
anschliessend Apéro
Tagungsleitung

Dr. phil. Revital Ludewig, Fachpsychologin für Rechtspsychologie FSP, Gutachterin SGRP, Kompetenzzentrum für Rechtspsychologie, IRP-HSG, Universität St.Gallen

Prof. Dr. iur. Thomas Geiser, Em. Professor für Privat- und Handelsrecht an der Universität St.Gallen, nebenamtlicher Bundesrichter

Referierende

Prof. Dr. iur. Thomas Geiser
Em. Professor für Privat- und Handelsrecht an der Universität St.Gallen, nebenamtlicher Bundesrichter

 

Prof. Dr. iur. Martin Kaufmann
Kreisgerichtspräsident, ab 1. Juni 2020 Kantonsrichter am Kantonsgericht St.Gallen, Honorar-professor für Zivilverfahrensrecht an der Universität St.Gallen

 

Dr. phil. Revital Ludewig
Fachpsychologin für Rechtspsychologie FSP, Gutachterin SGRP, Kompetenzzentrum für Rechts-psychologie, IRP-HSG, Universität St.Gallen

 

Dr. iur. Philipp Maier
Rechtsanwalt, Bezirksrichter, Bezirksgerichte Meilen und Uster

 

lic. iur. Guido Marbet
Oberrichter, Präsident der 2. Zivilkammer sowie Mitglied der Kammer für Kindes- und
Erwachsenenschutz, Aargau. Präsident der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (KOKES)